„engel mit nur einem flügel“
– Zum 20. Mal an der Betty-Reis-Gesamtschule –
Die Woche um den 9. November stellt immer eine besondere Woche dar. Der sich jährenden Reichspogromnacht und der damit verbundenen nationalsozialistischen Gräueltaten wird in Aktionen und Veranstaltungen gedacht, die in besonderer Weise erzieherisch und bildend wirken. Für den 5. Jahrgang kommt es regelmäßig zu einer Theateraufführung des Stückes „engel mit nur einem flügel“. Nun war das toefte-Theater mit Ralf Kiekhöfer am 10. November 2021 zum 20. Mal zu Gast. Ganze Schülergenerationen haben durch sein Stück und die Aufarbeitung im Unterricht erfahren, weshalb die Schule einen ganz besonderen Namen trägt. Auch die 19. Aufführung fand in diesem Schuljahr statt. Denn schon im September wurde der im Schuljahr 2020/21 pandemiebedingt ausgefallene Termin für den jetzt 6. Jahrgang nachgeholt.
Im Zusammenspiel mit zwei Puppen (Robert und später sein Vater Aaron) gelingt Ralf Kiekhöfer immer wieder eine ungemein dichte und poetische Darstellung, die die Schüler:innen mit ihren Lehrer:innen über 70 Minuten Spielzeit voll in den Bann zieht.
Zum Inhalt: Robert Goldstein erzählt seine Geschichte. Es ist die Geschichte einer jüdischen Kindheit im nationalsozialistischen Deutschland, die Geschichte verstörender, alltäglicher Ereignisse. Die Zuschauer begleiten Robert auf seine Reise in die Vergangenheit. Sie suchen mit ihm seine Lieblingsplätze und Geheimverstecke auf: Sie lernen Lehrer, Mitschüler und Freunde kennen. Sie erleben, wie kleine Anfeindungen sich zu einer großen Ausgrenzung verdichten und müssen erfahren, was es heißt, einen Judenstern zu tragen. Robert und sein Vater werden schließlich in einen Zug Richtung Konzentrationslager gesperrt. Wie durch ein Wunder wird der kleine Robert gerettet. Er überlebt Dank des Mutes einer Bauernfamilie in Frankreich und findet nach Jahren sogar seinen Vater in Paris wieder. Ein Ausnahmeschicksal!
Aber es beruht auf einer wahren Geschichte. Mit dem Song „Topor“ von Konrad Beikircher habe vor über zwanzig Jahren alles angefangen, führt Kiekhöfer aus. Daran heißt es im Refrain:
„Wir sind Engel mit nur einem Flügel,
wir können nur fliegen,
wenn wir einander umarmen.“
Konrad Beikircher informierte den Künstlerkollegen über das dahinterstehende Schicksal einer polnisch-jüdischen Familie und ihr glückliches Überleben. „Daraus haben wir dann unseren ,engel‘ gemacht!“
Das Furchtbare kindgerecht aufzuarbeiten, gelang hervorragend und hat auch nach 20 Jahren nichts an Wirkung verloren. Wunderbar wechselten traurige und komische Szenen, einfühlsam führte Ralf Kiekhöfer sein junges Publikum über das schwierige Terrain. Dabei arbeitet er nur mit ganz wenigen Requisiten. „Bei der Inszenierung haben wir uns sehr bewusst dafür entschieden, denn besonders die Kriegszeit war durch viele Entbehrungen gekennzeichnet“, meint der Künstler und ergänzt: „Auch Puppenspieler haben damals mit Waschlappen oder Kartoffeln spielen müssen!“ Und wer seine ausdrucksstarken Puppen genau in den Blick nimmt, erkennt die Nähe in der formalen Gestaltung.
Schulleiterin Dr. Karin Hilgers bedankte sich im Anschluss bei Ralf Kiekhöfer zum Erreichen des Jubiläums mit einer Betty-Reis-Tasse und einer Schuljacke. Sehr froh war sie, dass sie das erste Mal das Stück sehen und erleben konnte, wie gut die Aufführung zu unserer Schule und ihrem Auftrag passt. Und Ralf Kiekhöfer reagiert auf ihre überzeugte Einladung. „Gerne komme ich nächstes Jahr wieder nach Wassenberg“.